Was ist eigentlich Craftbeer?

Den Begriff Craftbeer richtig zu definieren ist gar nicht so leicht, deshalb möchten wir an dieser Stelle einen echten Experten, Kreativbrauer und Biersommelierweltmeister zu Wort kommen lassen.
Oliver Wesseloh: „Die kreativen Bieren geht es um Hingabe, Begeisterung, Herzblut. Es geht um geschmacksintensive Biere, um Biere von unabhängigen Brauern. Um Biere von authentischen Charaktertypen, die Kreatives und Neues wagen oder mit Liebe alte Rezepte wiederbeleben, die kein Mainstream-Bier produzieren, sondern nur Biere, für die sie selbst brennen. Die Biere werden handwerklich und mit einer reichhaltigen Menge an natürlichen Rohstoffen produziert.

Diese Biere sind anders, sie krempeln die deutsche Bierwelt um. Daher musste ein Begriff zu Abgrenzung zu den Massenbieren her. Die Medien brauen etwas, um die Bewegung beim Namen zu nennen, die Brauer wollen irgendwie zum Ausdruck bringen, dass ihre Biere anders sind als das, was die Konsumenten bisher aus dem Supermarktregal gewohnt waren. Kurzerhand wurde der US-amerikanische Begriff Craft Beer übernommen, gerne wird auch die halbdeutsche Variante Craft Bier benutzt. Inzwischen sind die Begriffe in aller Munde. Ich persönlich versuche, den Begriff Craft Beer zu vermeiden, habe aber akzeptiert, dass sich die Bezeichnung mittlerweile etabliert hat. Aber wenn wir den Begriff nutzen wollen, brauchen wir eine tragfähige Definition.

Wir können nicht einfach die Definition der US-amerikanischen Brewers Association übernehmen, denn dann wir der Begriff schnell ad absurdum geführt. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten mit 318 Millionen Einwohnern wird in anderen Dimensionen gerechnet. Nach der US-Definition muss einen Craft Brewery klein (Jahresproduktion unterhalb von 7,2Millionen Hektolitern), unabhängig (weniger als 25 Prozent des Unternehmens werden von einem Nicht-Craft-Brewer aus der Getränkeindustrie kontrolliert) und traditionell (die Mehrheit der Biere wird mit traditionellen Rohstoffen, sprich nicht mit Reis oder Mais hergestellt) sein. Würden wir die US-Definition übernehmen, wäre jede deutsche Einsorten-Privatbrauerei eine Craft Brewery

Inzwischen sind wir auch soweit, dass der Begriff Craft zusehens missbraucht wird. Große Unternehmen wittern ihre Chance, mit dem Prädikat Craft dem sinkenden Bierabsatz entgegenzutreten. Und auch einige mittelständische Brauereien springen auf den Zug mit auf, ohne sich wirklich mit dem Thema auseinanderzusetzten. Doch leider ist es nicht damit getan, in das Standardbier bei der Lagerung ein wenig Hopfen zu packen, das Ganze in schicke Flaschen abzufüllen und dann teuer zu verkaufen. Hier wird deutlich, dass dringend eine messbare Definition her muss, die zu den Gegebenheiten des deutschsprachigen Marktes passt. Denn inzwischen ist es für den Konsumenten schwer zu erkennen, was wirklich Craft ist.
Aber wie könnte diese Definition aussehen? Meiner Ansicht nach müsste eine echte Craft Brewery oder Kreativbrauerei die folgenden Kriterien erfüllen:

Inhabergeführt.

Die Brauerei sollte inhabergeführt und der Hauptanteilseigner sollte aktiv am Tagesgeschäft beteiligt sein.

Transparenz.

Alle verwendeten Roh- und Hilfsstoffe werden klar und detailliert benannt, der Brauort wird angegeben, abenfalls die Teilhaber an dem Unternehmen, auch bei verschachtelten Beteiligungsgesellschaften. Denn Transparenz schafft Authentizität und tut auf diesem Level keinem weh.

Vielfalt.

Ein kreativer Brauer schließt keine Liefervertäge. Wir stehen alle dafür, dass die Konsumenten möglichst viele verschiedene Bierstile probieren, um daran Freude zu finden. Eine Brauerei, die Gastronomen per Liefervertrag vorschreibt, nur die eigenen bzw. Biere aus dem eigenen Lieferverbund zu verkaufen, verhindert jegliche Vielfalt.

Natürlichkeit.

Ein Kreativbrauer nutzt nur natürlich, nicht genmanipulierte Rohstoffe. Dazu können auch Früchte, Kräuter oder Gewürze gehören, aber definitiv keine Extrakte oder künstliche Hilfsstoffe, es wird nicht pasteurisiert. Alle Zutataten und Verfahrensschritte dienen primär nur dem Geschmack und nicht der künstlichen Verlängerung der Haltbarkeit.“
Quelle: Wesseloh, Oliver: Bier Leben. Hamburg 2015, S.67ff.